Ich glaube es gibt nur wenige Texte, die ich vor so langer Zeit begonnen und nie beendet habe. Ich weiss noch, dass ich die Idee hierfür in einem Café hatte. Ich habe zwar zu schreiben begonnen, aber es hat sich einfach nicht richtig angefühlt, ihn zu beenden. Das gewisse Etwas hat gefehlt, bis letzte Woche das fehlende Puzzleteil aufgetaucht ist.
Meine Eltern haben auf ihrem Küchentisch eine Sammlung von verschiedenen Zitaten. Manchmal zieht mittags einer von beiden ein Zitat und liest es vor. Als ich letzte Woche zum Mittagessen eingeladen war, lautete das Zitat, diesmal von Franz Kafka, folgendermassen:
«Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis.
Vielleicht ist keines da.»
Da kam mir wieder dieser Text in den Sinn, der irgendwo in den Untiefen meines Macbooks auf seine Fertigstellung warten. Die Zeilen darüber, dass wir immer der Haken an jeder Sache suchen. Immer.
Ich weiss nicht, ob das ein Überlebensmechanismus ist oder einfach ein grundsätzliches Misstrauen dem Leben gegenüber. Wir haben ständig das Gefühl, dass etwas nicht einfach nur gut gehen kann. Sobald etwas zu einfach läuft, zu leicht vom Tisch geht, dann läuten bei uns die Alarmglocken; denn so gut kann kaum was sein.
Und wenn der Haken nicht da ist, oder zumindest nicht so offensichtlich wie die Mücke in deinem Rotweinglas, dann warten wir nicht einfach ab, sondern beginnen zu graben.
Wir suchen nach Ecken und Kanten, nach Kratzer in der Oberfläche und darunter. Auch wenn wir dazu die Lupe nehmen müssen.
Und früher oder später finden wir ihn auch: den Haken an der Sache.
Und wenn es nicht die Person oder die Sache ist, dann sind es einfach wir.
So oft fehlt uns der Mut, uns auf etwas Neues einzulassen und es dann einfach so zu lassen, wie es ist. Vertrauen in das Neue zu haben. Denn wenn es zum Scheitern verurteilt ist, dann wird es so sein müssen. Und wenn nicht, dann ist es unsere Aufgabe die Fahrt zu geniessen, ohne Wenn und Aber. Ständig nach der Suche nach einem möglichen Hindernis zu sein, versperrt uns die Sicht.
Das Rezept zum Glücklichsein besteht also nicht nur daraus, dass keinen Haken an der Sache existiert, sondern daraus, keinen zu kreieren. Ja, wahrscheinlich wirst du früher oder später an jeder Sache oder an jeder Person einen Haken finden – so ist unsere Welt nun mal.
Und vielleicht kannst du diesem Haken irgendwann die Chance geben, etwas Aussergewöhliches und Einzigartiges zu sein – es als das gewisse Etwas zu sehen und nicht als Fehler.
Es wird dein Leben bereichern.
Denn du bist es dir schuldig, die Funken in deinem Leben zu geniessen und nicht nur daran zu denken, ob sie auch Brandflecken hinterlassen könnten.
Alles Liebe, Julia
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