Direkt zum Hauptbereich

One-Way-Ticket

hiraeth (Substantiv): Heimweh nach einem Ort, an den man nicht mehr zurückkehren kann, nach einem Zuhause, das es so vielleicht nie gegeben hat; Nostalgie, Sehnsucht nach und Trauer um verlorene Orte aus der Vergangenheit

 

Es gibt da was, dass wir alle zur Geburt geschenkt bekommen haben. Der erste Atemzug und das One-Way-Ticket durchs Leben. 

 

Und auch wenn wir denken, wir können zurückgehen, an eine Station, wo wir schon einmal waren, dann müssen wir uns bewusst sein, dass nicht mehr dieselben Menschen da sein werden, das Wetter sich geändert hat und vielleicht kein Stein mehr auf dem anderen steht, wenn wir zurückkehren. 

 

Auf Deutsch sagen wir auch, dass wir ein «einfaches» Ticket lösen, wenn wir nur eine Strecke fahren wollen und nicht mehr zurück. Dieses Lebensticket ist einfach gelöst, dass es aber einfach ist, stimmt leider nicht.

 

Und manchmal leide ich an «hiraeth» und daran, dass ich gerne zurückmöchte. An wunderschöne Orte, die ich besuchen durfte, an meinen alten Balkon, mit dem ich so viele emotionale Erinnerungen teile und an Menschen, die einmal Teil meiner ganz persönlichen Heimat waren. 

 

Doch ich stehe da, mein One-Way-Ticket in der Hand und steige in den nächsten Zug, um mein Fotoalbum mit weiteren Polaroids zu füllen. Diesen Momentaufnahmen und Schnappschüssen von Erlebnissen und Begegnungen, die einmalig sind und wie Sternschnuppen durch unser Leben gezogen waren. Wir können sie nicht noch einmal durchleben, aber wenn wir genau hinschauen, sehen wir, wie es funkelt. 

 

Und so sitze ich hier mit meinem Kaffee im wunderschönen Piemont mit einer Atemberaubenden Aussicht, aus der gerade ein neues «hiraeth» geschaffen wird und fülle meine Lungen mit einem Tiefen Atemzug, mein Herz mit dieser Weite und meine Erinnerungskiste mit einem weiteren Bild. 

 

Und auch wenn ich diesen Ort vielleicht wieder besuchen werde, so wird es nicht mehr dasselbe sein. Mein Zug wird weitergefahren und die Haltestelle wird erst eine spätere sein. Und weisst du was? Es ist völlig okay so, denn so sind die Spielregeln für uns alle. Aber du alleine entscheidest, ob du mit offenen Augen und offenem Herzen in den nächsten Zug einsteigst, bereit für all die wunderschönen Orte und Menschen, die vielleicht ein «hiraeth» sein werden. Und wenn du Glück hast, auch ein «cynefin». 

 

cynefin (Substantiv): der Ort, an den man wirklich gehört, an dem man sich voll und ganz zu Hause fühlt

 

Alles Liebe, Julia

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ode an meine Zwanziger

Nur kurz vorab: Dieser Post wird keine Ode im klassischen Sinne, sondern eine, in meinem Sinne. So wie ich nämlich auch meine Zwanziger gelebt habe.    Ich stehe kurz vor meinen Dreissigern, nur noch einen Augenblick entfernt. Vor ein paar Jahren noch mein Endgegner, heute ist es eher eine Erleichterung. Die Zwanziger waren für mich eine Herausforderung zwischen Überleben, Kämpfen und Leben. Die Reihenfolge war hier frei wählbar, Episoden waren wiederkehrend und manchmal war es auch alles miteinander.    In den Zwanziger kann man alles tun, man sollte aber auch alles tun. Sich ausprobieren, reisen und Neues erleben. Am besten aber auch Geld verdienen, sich ein Standbein aufbauen und gleichzeitig in die Zukunft schauen. Alte Kontakte pflegen und neue Menschen kennenlernen, und vor allem auf eigenen Beinen stehen.  Ich nahm das sehr ernst. Vielleicht oft auch zu ernst. Ich habe mich mental an diesen Vorstellungen festgehalten und wurde erst frei, als ich all das l...

Löcher

Said we′ve got holes in our hearts We've got holes in our lives We′ve got holes, we've got holes But we carry on Sang Passenger von der Bühne. Und ich mindestens so laut, aber ein bisschen weniger treffend, mit ihm. Im Regen, umgeben von vielen Menschen, und einer der wenigen Gedanken, die ich hatte, war, dass ich wieder schreiben will. Dass ich schreiben muss. Weil es sonst schade wäre um all die Gedanken, die gedacht, aber nie niedergeschrieben wurden. Denn dann wären sie nur noch Gedanken, die verloren wurden.    Ich habe die Angewohnheit, dass ich während des Schreibens nie unter Menschen bin, die ich kenne. Ich habe keine Probleme an öffentlichen Orten zu schreiben, da bin ich anonym. Ich liebe es, wenn andere meine Texte lesen, wenn es sie berührt, wenn sie ein Stück davon für sie mitnehmen können. Aber bitte nicht vor meinen Augen. Vielleicht aus Angst, dass man da etwas sehen könnte, das ich nicht zeigen wollte.    Lebensumstände verändern sich. So war es auc...

Love it, change it or leave it

Wir kennen sie alle, diese tollen Sprüche, die irgendwo über einer Küchenzeile hängen oder ein Postkartensujet zieren. Wir stempeln sie unter Alltagsphilosophie ab, lesen sie mit einem Augenzwinkern und belächeln diese Phrasen, die wenig Tiefgang zu haben scheinen.   Aber sind wir ehrlich: Hätten sie nichts Wahres an sich, nicht einen Funken Gehalt, dann würden sie auch nirgends stehen.   Love it Ich glaube das wir dafür gemacht sind, herauszufinden, was wir lieben. Um anzukommen, um Heimat zu finden, um Zufriedenheit zu erleben. Wenn wir lieben, was wir tun, sind wir glücklich. Und wenn wir lieben, wer uns umgibt, fühlen wir uns getragen. Sind wir zu Hause. Liebe bringt uns zurück zu uns. Change it Ändere, was sich nicht (mehr) danach anfühlt, als sollte es so in dein Leben gehören. Streich dein Leben neu, zieh deine Gedanken um, bau deine Welt um. Niemand zwingt dich dort zu bleiben, wo du bist, ausser du selbst.   If you do, what you always did, you’ll get, what y...