Warum ich diesen Text schreibe? Mainstream? Offenheits-Bewegung? Nein, eher für einen Perspektivenwechsel für diejenigen, die es noch nicht schaffen, andere Blickwinkel einzunehmen.
Ja, «me too» hat auch mich beschäftigt. Und als ich in der ersten Jahreshälfte eine Anfrage von einem Bekannten bekam, ob ich ihm berichten könne, ob ich schon Erfahrungen mit (sexueller) Belästigung gemacht habe, kam dieses Thema wieder auf. Er hat anschliessend eine Kurz-Doku gemacht, in welcher er sich als Frau ausgegeben hat und berichtet, welche Erfahrungen er gemacht hat. Ich war nicht verwundert, aber trotzdem schockiert.
(Gerne nachzuschauen unter https://www.fm1today.ch/schweiz/jobangebote-gegen-sex-10-tage-als-frau-im-internet-141163526)
Und so lief ich diese Woche im Fitnessstudio auf dem Laufband und plötzlich war da diese Wut im Bauch. Denn darf ich ehrlich sein? Ich kenne praktisch keine Frau, die noch nie Erfahrungen mit (sexueller) Belästigung gemacht hat. Und ich bin bin mir sicher, dass auch viele Männer solche Erfahrungen machen. Wie «schlimm» diese Belästigungen auch gewesen sein mögen, das muss jeder für sich entscheiden. Ob anonym oder nicht, mit welchem Inhalt auch immer, ich glaube, wer auch immer «Täter:in» ist, macht sich wahrscheinlich wenig Gedanken darüber, was die Tat im «Opfer» auslösen kann.
Und deshalb die Frage an dich, wer auch immer du bist; was meinst du zu bezwecken, wenn du zum Beispiel (anonyme) Botschaften in Briefkasten hinterlässt, durch das Nachschlagen von Autonummern Fremde kontaktierst, anderen ungefragt explizite Fotos oder Nachfragen für Tätigkeiten zukommen lässt, die ganz sicher nicht angepasst sind?
Was würdest du tun, wenn der / die Empfänger:in dein Sohn oder deine Tochter, deine Schwester oder dein Bruder wäre? Oder was würdest du tun, wenn dein/e Partner:in solche Botschaften erhalten würde und was würde passieren, wenn sie oder er die Verfasser wäre?
Manchmal sind es nur kurze, unüberlegte Nachrichten oder Fotos, aus purem Leichtsinn heraus gemacht. Doch wir können nie genau sagen, wie es der anderen Person geht und was es in ihr auslöst. Und ja, die Regel «die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo die Freiheit anderer eingeschränkt wird» gilt auch hier besonders.
Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ja, ich fühle mich eingeschränkt, wenn sich jemand mit Botschaften an mich wendet, von welchen ich mich (sexuell) belästigt fühle. Nachrichten, die ich aus dem Nichts hinaus erhalte. Und besonders dann, wenn ich das Gefühl habe, dass mein «Gegenüber» sich keine Gedanken gemacht hat, was dies in mir auslösen könnte.
Deshalb dieser Appell an dich liebe(r) Täter:in: Leb deine Freiheiten an Orten aus, wo du keine anderen einschränkst. Und liebes «Opfer»: Du hast oft die Entscheidung, ob du ein Opfer bist oder nicht. Ob du dir Hilfe holst, dich «wehrst» und für dich und deine Freiheit einstehst. Zu spät ist es nie.
Alles Liebe, Julia
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