Direkt zum Hauptbereich

Kontrollverlust

Lass uns über Ängste sprechen. 
Wir alle haben sie, die grossen und kleinen Ängste. Früher vor dem Monster unter dem Bett oder im Kleiderschrank oder vor den Dingen, die im dunklen Keller auf uns gewartet haben. Bis wir das Licht anmachten und merkten, dass da in unserer Fantasie viel mehr los war, als in der Realität. 

Heute sind die Ängste etwas anders. Vielleicht verabscheuen wir Spinnen und Schlangen immer noch, haben Panik davor, vor einem Hund gebissen oder einem Auto angefahren zu werden. 

Meine grosse Angst ist es, die Kontrolle zu verlieren. Und zwar nicht nur über mein Fahrzeug oder meinen Job, sondern ganz allgemein. Ich plane gerne und bin organisiert, ich versuche flexibel zu sein, aber auch nur, weil ich wahrscheinlich unbewusst noch jeweils drei weitere Szenarien entwickelt habe, wie mein Plan auch noch funktionieren könnte. Ich funktioniere einwandfrei, weil ich weiss, dass ich alles im Griff habe. 

Doch habe ich das wirklich? Denn wenn ich mir so überlege, wann ich die tollsten und vielleicht auch «leichtesten» Momente erlebt habe, dann ist das selten zu einem Zeitpunkt passiert, den ich für mich auch so geplant habe. Spontane Feiern und Ausflüge, Gespräche oder Telefonate oder einfach Zufälle, die mir Türen geöffnet haben, die ich so nie hätte miteinberechnen können. 

Da habe ich begonnen, mich zu fragen, was denn die Angst ist, die meint, ich könnte meine Kontrolle verlieren. Vieles hat meiner Meinung nach mit Vertrauen zu tun; seiner Mitmenschen gegenüber, aber vor allem auch sich selber. Das Vertrauen darin, dass es gut kommt, dass Gutes passiert, wenn man es auch zulässt. 

Joachim Ringelnatz meinte einst: «Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.»
Weshalb also dann Ängste demjenigen gegenüber zu entwickeln, dass wir nicht planen können und demjenigen gegenüber zu haben, was eine unbekannte Variable in unserem Leben darstellt. 
Wir werden nie im Leben fähig sein, über alles die Kontrolle zu haben. Vor allem im letzten halben Jahr hat uns die Welt gezeigt, wie klein doch unser Handlungsspielraum ist, wenn es wirklich darauf ankommt. 

Versuche dich also nicht in einer vermeintlichen Sicherheit zu wälzen, indem du alles zu kontrollieren versuchst, sondern öffne die Arme für all das, was auf dich wartet. Für all die Liebe, all die Zuversicht und all die offenen Türen, die du übersiehst, während du nach denjenigen suchst, die da sein sollten. 

«If you do, what you’ve always done, you’ll always get what you’ve always got.» - Henry Ford

Alles Liebe, Julia

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ode an meine Zwanziger

Nur kurz vorab: Dieser Post wird keine Ode im klassischen Sinne, sondern eine, in meinem Sinne. So wie ich nämlich auch meine Zwanziger gelebt habe.    Ich stehe kurz vor meinen Dreissigern, nur noch einen Augenblick entfernt. Vor ein paar Jahren noch mein Endgegner, heute ist es eher eine Erleichterung. Die Zwanziger waren für mich eine Herausforderung zwischen Überleben, Kämpfen und Leben. Die Reihenfolge war hier frei wählbar, Episoden waren wiederkehrend und manchmal war es auch alles miteinander.    In den Zwanziger kann man alles tun, man sollte aber auch alles tun. Sich ausprobieren, reisen und Neues erleben. Am besten aber auch Geld verdienen, sich ein Standbein aufbauen und gleichzeitig in die Zukunft schauen. Alte Kontakte pflegen und neue Menschen kennenlernen, und vor allem auf eigenen Beinen stehen.  Ich nahm das sehr ernst. Vielleicht oft auch zu ernst. Ich habe mich mental an diesen Vorstellungen festgehalten und wurde erst frei, als ich all das l...

Löcher

Said we′ve got holes in our hearts We've got holes in our lives We′ve got holes, we've got holes But we carry on Sang Passenger von der Bühne. Und ich mindestens so laut, aber ein bisschen weniger treffend, mit ihm. Im Regen, umgeben von vielen Menschen, und einer der wenigen Gedanken, die ich hatte, war, dass ich wieder schreiben will. Dass ich schreiben muss. Weil es sonst schade wäre um all die Gedanken, die gedacht, aber nie niedergeschrieben wurden. Denn dann wären sie nur noch Gedanken, die verloren wurden.    Ich habe die Angewohnheit, dass ich während des Schreibens nie unter Menschen bin, die ich kenne. Ich habe keine Probleme an öffentlichen Orten zu schreiben, da bin ich anonym. Ich liebe es, wenn andere meine Texte lesen, wenn es sie berührt, wenn sie ein Stück davon für sie mitnehmen können. Aber bitte nicht vor meinen Augen. Vielleicht aus Angst, dass man da etwas sehen könnte, das ich nicht zeigen wollte.    Lebensumstände verändern sich. So war es auc...

Love it, change it or leave it

Wir kennen sie alle, diese tollen Sprüche, die irgendwo über einer Küchenzeile hängen oder ein Postkartensujet zieren. Wir stempeln sie unter Alltagsphilosophie ab, lesen sie mit einem Augenzwinkern und belächeln diese Phrasen, die wenig Tiefgang zu haben scheinen.   Aber sind wir ehrlich: Hätten sie nichts Wahres an sich, nicht einen Funken Gehalt, dann würden sie auch nirgends stehen.   Love it Ich glaube das wir dafür gemacht sind, herauszufinden, was wir lieben. Um anzukommen, um Heimat zu finden, um Zufriedenheit zu erleben. Wenn wir lieben, was wir tun, sind wir glücklich. Und wenn wir lieben, wer uns umgibt, fühlen wir uns getragen. Sind wir zu Hause. Liebe bringt uns zurück zu uns. Change it Ändere, was sich nicht (mehr) danach anfühlt, als sollte es so in dein Leben gehören. Streich dein Leben neu, zieh deine Gedanken um, bau deine Welt um. Niemand zwingt dich dort zu bleiben, wo du bist, ausser du selbst.   If you do, what you always did, you’ll get, what y...