Direkt zum Hauptbereich

Für immer unverbindlich

Es ist (entschuldige meine Wortwahl) der Mindfuck unserer Generation und unserer Gesellschaft, ohne, dass wir es genau realisieren; wir wollen um jeden Preis unverbindlich bleiben und das am liebsten für immer. 
Wir haben den Stress, uns immer alle Optionen offen lassen zu müssen, sich ja nicht zu entscheiden, festzulegen oder zu stark zu verpflichten.
Wir scheuen uns ständig davor, Verantwortung zu übernehmen, weil wir dann auch die Konsequenzen tragen müssten. Denn: Wer möchte das den schon?

Wir leben in der stetigen Angst etwas zu verpassen, wenn wir uns festlegen. Denn wer gibt mir die Garantie, dass nicht doch noch etwas Besseres, Schöneres oder Tolleres kommt? Wir haben keine Pläne mehr, sondern Optionen. Wenn Option 1 nicht eintritt, dann mache ich halt Option 2, und sonst halt Option 3 und vielleicht lässt sich da noch Option 4 einbinden. Ernsthaft? 

«Eigentlich habe ich dich ganz fest gern, aber ich möchte mich doch nicht binden, deshalb ist es vielleicht besser, wenn wir uns doch trennen.» 
Müsste ich die heutigen Beziehungen beschreiben, wäre es wahrscheinlich genau so. Und nicht unbedingt nur menschliche Beziehungen. Sondern auch Bindungen, die ich eingehe und die mit Verantwortungen zusammenhängen. Wir möchten eigentlich etwas ganz fest haben, doch sind in konstanter Angst, verlassen oder verletzt zu werden, dass wir das Ganze doch grad selber noch schnell beenden. 

Können wir noch «ja» zu etwas sagen, und dabeibleiben? Traut sich noch jemand «nein» zu sagen, ohne grad Verlustängste zu erleiden, weil man jetzt halt einfach eine Chance hat ziehen lassen müssen? 
Wir sind die Generation «mal schauen», «danke fürs Angebot», «ich melde mich dann irgendwann bei dir» und «mir ist doch noch etwas dazwischengekommen».
Und ich wünschte wir wären die Generation «Ja gerne», «nein danke» und «ich nehme mir Zeit für dich» und auch diejenige, die es dann auch so einhält. 

Mich beschäftigt dieses Thema enorm, weil das Gefühl haben, dass wir uns eine vermeintliche Sicherheit damit aufzubauen, immer noch eine andere Option zu haben. Aber sicher ist damit gar nichts mehr; es ist inkonstant, verantwortungslos und einfach nicht «erwachsen». Es ist jugendlicher Leichtsinn, die Midlifecrisis und sonst noch ein paar Spinnereien gleichzeitig, die wir am liebsten von der Pubertät bis zur Pension durchziehen möchten. Was soll einem da noch Sicherheit geben?

Deshalb fordere ich mich immer wieder heraus, mich aus meiner Komfortzone zu begeben und «ja» zu etwas zu sagen und dabei zu bleiben. Konsequent zu sein und Verantwortung zu übernehmen, selbst dann, wenn es mir schwerfällt. 

Sag «ja» und «nein» und streiche dein «vielleicht». Sei mutig. Sei entschlossen. Und irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du eine Ewigkeit eingehst, die es vielleicht nicht gibt. Aber dann bitte verbindlich, und nichts anderes. 

Alles Liebe, Julia

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Lately

Lately, I feel like lately 'Stead of heaven, I only see the sky But maybe, I mean maybe Oh, there′s got to be more to this life  (More to this life – M. Giesinger & M. Schulte) Ich bin im Trott. Zwischen arbeiten, Wäsche waschen, einkaufen und kochen, koordinieren und organisieren, differenzieren und reflektieren  und am Schluss noch schlafen. Viel schlafen. Ich treffe zu wenige von den  vielen Leuten, die ich so gerne mag. Weil ich nicht mag.  Ich bin im Individualisierungs-Burnout, weil mich die Masse erschlägt, und ich doch niemandem so richtig gerecht werde.  Instead of heaven, I only see the sky.  I treat the universe inside of me as if it was an ordinary world.  The fire inside of me doesn’t seem to burn as much as the fire around me.  Und doch scheint die Sonne jeden Tag neu.  Unermüdlich. Aussergewöhnlich. Zu selbstverständlich.  Wir schulden ihr nicht mal was dafür.  Der Frühling kommt ungefragt aber so ersehnt. ...

Love it, change it or leave it

Wir kennen sie alle, diese tollen Sprüche, die irgendwo über einer Küchenzeile hängen oder ein Postkartensujet zieren. Wir stempeln sie unter Alltagsphilosophie ab, lesen sie mit einem Augenzwinkern und belächeln diese Phrasen, die wenig Tiefgang zu haben scheinen.   Aber sind wir ehrlich: Hätten sie nichts Wahres an sich, nicht einen Funken Gehalt, dann würden sie auch nirgends stehen.   Love it Ich glaube das wir dafür gemacht sind, herauszufinden, was wir lieben. Um anzukommen, um Heimat zu finden, um Zufriedenheit zu erleben. Wenn wir lieben, was wir tun, sind wir glücklich. Und wenn wir lieben, wer uns umgibt, fühlen wir uns getragen. Sind wir zu Hause. Liebe bringt uns zurück zu uns. Change it Ändere, was sich nicht (mehr) danach anfühlt, als sollte es so in dein Leben gehören. Streich dein Leben neu, zieh deine Gedanken um, bau deine Welt um. Niemand zwingt dich dort zu bleiben, wo du bist, ausser du selbst.   If you do, what you always did, you’ll get, what y...

Ode an meine Zwanziger

Nur kurz vorab: Dieser Post wird keine Ode im klassischen Sinne, sondern eine, in meinem Sinne. So wie ich nämlich auch meine Zwanziger gelebt habe.    Ich stehe kurz vor meinen Dreissigern, nur noch einen Augenblick entfernt. Vor ein paar Jahren noch mein Endgegner, heute ist es eher eine Erleichterung. Die Zwanziger waren für mich eine Herausforderung zwischen Überleben, Kämpfen und Leben. Die Reihenfolge war hier frei wählbar, Episoden waren wiederkehrend und manchmal war es auch alles miteinander.    In den Zwanziger kann man alles tun, man sollte aber auch alles tun. Sich ausprobieren, reisen und Neues erleben. Am besten aber auch Geld verdienen, sich ein Standbein aufbauen und gleichzeitig in die Zukunft schauen. Alte Kontakte pflegen und neue Menschen kennenlernen, und vor allem auf eigenen Beinen stehen.  Ich nahm das sehr ernst. Vielleicht oft auch zu ernst. Ich habe mich mental an diesen Vorstellungen festgehalten und wurde erst frei, als ich all das l...